"Plötzlich war ich der Fremde"

Maler Michael Ziegler stellt Ergebnisse des Kunstprojekts mit Kindern der Übergangsklasse in Bücherei aus

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Daumen hoch für die zwölf Nachwuchskünstler, die mit dem Eggenfeldener Maler Michael Ziegler (Mitte) die Bilder für ihre erste Ausstellung geschaffen haben. Bei der Vernissage zeigten sich (hinten, von links) Jugendsozialarbeiterin Nicole Hofmann, Fachlehrerin Herta Schumacher, Klassenlehrerin Andrea Edmeier, Schulleiter Matthias Schmöller, Schulrat Thomas Knab, MdL Reserl Sem, Schulreferentin Anita Hölzl und Bürgermeister Wolfgang Grubwinkler schwer begeistert. − Foto: Schlierf

Eggenfelden. Papier und Farbe – mehr ist es nicht, was seit Kurzem an einigen Stellwänden in der Stadtbücherei hängt. Doch vielleicht sind die Bilder für die zwölf Nachwuchs-Künstler der Übergangsklasse der Grundschule einmal mehr als die Summe ihrer Bestandteile. Mutmacher zum Beispiel.

"Kunst verbindet, Kunst macht Mut" heißt die Ausstellung, die das Ergebnis eines Integrationsprojekts des Malers Michael Ziegler und der Grundschule ist. Der Eggenfeldener ist der Motor des Projekts. Seit Beginn des Schuljahrs machte er sich jede Woche auf den Weg in die Schule. Im Gepäck hatte er weder pädagogische Konzepte noch altkluge Ratschläge, sondern nur die Liebe zur Malerei – und gelegentlich etwas Anschauungsmaterial. Mit wortreichen Erklärungen wäre Ziegler ohnehin nicht weit gekommen, denn die Kinder sprachen anfangs kaum ein Wort Deutsch. Allesamt sind Flüchtlingskinder.

Eintauchen ins Sprachbad

Die Kinder verstanden sich untereinander, doch Ziegler selbst stand sprachlich auf ziemlich verlorenem Posten da, erzählte er bei der Vernissage in der Stadtbücherei: "Die Kinder haben mich nicht verstanden. Am Anfang war ich in dieser Klasse plötzlich der Fremde und ich habe mich auch so gefühlt. Da habe ich verstanden, wie es den Kindern gerade geht: Ich möchte etwas sagen, aber man versteht mich nicht."

Mit Händen und Gesten sei es trotzdem gelungen, den Kindern beim Umgang mit Pinsel und Farben zu helfen, die Kreativität zu wecken und das Selbstbewusstsein und den Spaß zu wecken.

Das dürfte gelungen sein, denn die Schüler haben schon Ideen, was sie als nächstes Malen möchten. Dass die "Bande", wie sie Ziegler liebvoll nennt, in dem Maler nicht nur einen Kunstlehrer, sondern so etwas wie einen großen Freund gefunden hat, war kaum zu übersehen. Per Handschlag begrüßten ihn die Kinder und wie sehr dem Maler das Projekt am Herzen lag, zeigte sich, als im die Kinder zum Dank einen Blumenstrauß übergaben: Ziegler und auch ein paar der Mädchen waren zu Tränen gerührt.

Die Sprachlosigkeit haben Ziegler und die Kinder nach und nach überwunden. Einige haben während des Projekts ihre Freude am Malen erst entdeckt. Nicht alle Flüchtlingskinder hatten zuvor schon einmal einen Pinsel in der Hand, stellte Ziegler fest. Wichtig war ihm, dass die Kinder selbst entscheiden durften, wie sie ihre Motive umsetzen, sodass sie sich ausdrücken konnten.

Während des Kunstprojekts in den ersten Wochen des Schuljahrs verbrachten die Kinder der Übergangsklasse im Alter zwischen sieben und neun Jahren gemeinsam. Der Fokus lag in dieser Zeit auf der deutschen Sprache. Seit Januar sind die Kinder auf die Regelklassen aufgeteilt, "damit sie in das Sprachbad der anderen Kinder eintauchen können und möglichst viele Berührungspunkte da sind", wie es Schulleiter Matthias Schmöller ausdrückte.

Bei Lehrern und Schülern sei dabei Offenheit gefragt, bei den Flüchtlingskindern vor allem Mut, um sich aus dem Schonraum der Übergangsklasse herauszutrauen und neue Freunde zu finden. Die Kunstausstellung bedeute dabei so etwas wie eine "Anschubfinanzierung fürs Selbstvertrauen". Daher sei man mit der Ausstellung ganz bewusst nicht in der Grundschule geblieben, sondern habe den öffentlichen Raum der Bücherei gesucht.

Bürgermeister Wolfgang Grubwinkler lobte das bürgerschaftliche Engagement von Michael Ziegler, aber auch von vielen anderen in der Stadt. Dieser Einsatz sei die Grundvoraussetzung dafür, dass Integration funktioniere.

Hahn und Papagei friedlich vereint

Dass die Integration dieser Kinder schon auf einem recht guten Weg sei, stellte MdL Reserl Sem mit Blick auf die Motive fest: "Der Hahn ist richtig schön bayerisch, der Papagei kommt aus einer ganz anderen Welt. Das ist das schöne, dass ihr genau diese beiden Tiere friedlich vereint, aber in ihrer wunderschönen Farbenpracht gemalt habt." Sem bedankte sich an dieser Stelle bei den Lehrern und Betreuern der Grundschule für die Mehrarbeit, die sie in Sachen Integration mit großen Engagement leisten.

Da konnte sich Schulrat Thomas Knab nur anschließen und war froh, dass die Kinder mit diesem Projekt eine universelle Sprache an die Hand bekommen haben: "In einem Land zu sein, in dem man die Sprache nicht spricht, ist eine große Hürde. Um diese Sprachlosigkeit trotzdem zum Ausdruck bringen zu können, steht die Kunst an erster Stelle. Da kann man seine Gedanken trotzdem zu Papier bringen und mich auszudrücken."

Der Förderverein der Grundschule hatte sich am Projekt ebenfalls beteiligt und unter anderem das Mal-Material organisiert.

Die Ausstellung ist noch bis 10. Februar in der Stadtbücherei zu sehen, jeweils Montag bis Freitag von 9.30 bis 14 Uhr sowie von 16 bis 18 Uhr.

Rottaler Anzeiger, Petra Schlierf vom 31.01.17